Kinderpastoral in Brasilien « …damit alle Kinder Leben haben und es in Fülle haben» (Joh 10, 10)
Der 12. Oktober ist in Brasilien ein Nationalfeiertag, an dem seit 1924 der Tag der Kinder gefeiert wird, und gleichzeitig der Tag, an dem der Schutzpatronin von Brasilien „Unsere Liebe Frau von Aparecida“ gedacht wird. Das Fest der Muttergottes von Aparecida und der Tag des Kindes gehören einfach zusammen.
In vielen Gemeinden und von vielen Organisationen werden Kinderfeste mit viel Aufmerksamkeit und Zuwendung gestaltet, besonders auch für arme Kinder. Das Wort Jesu: „Lasst die Kinder zu mir kommen, denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (vgl. Mt 19,14) wird an diesem Tag mit Leben gefüllt und erfahrbar.
Es ist ein Tag der Freude und Hoffnung, ein Tag voller Erwartung: An vielen Orten wird eine gute Mahlzeit für die vielen Kinder vorbereitet, die täglich in ihren Familien nicht satt werden, weil ihre Eltern arbeitslos sind oder ein nur geringes Einkommen haben. In vielen Familien ist der Hunger eine Folge der Pandemie Covid-19. Mehr als eineinhalb Jahre hatten die Kinder jetzt keinen Schulunterricht mehr – das heißt, dass auch die Schulspeisung in dieser Zeit ausfiel. Am nationalen Kindertag gibt es köstliche Speisen, Obstsäfte und Kuchen, die Erfahrung von Gemeinschaft und Angenommensein. Die Kinder stehen im Mittelpunkt, sie werden „sichtbar“, ihnen wird Beachtung geschenkt. Das lässt sie aufleben.
Der Tag der Kinder – der so lange ersehnte Festtag – ist auch ein Moment der Reflexion, um über die Rechte der Kinder auf Ernährung, Erziehung, Bildung und Freizeit nachzudenken und wie diese politisch eingefordert und gesichert werden, damit sich die Kinder voll entfalten und gemeinsam eine geschwisterliche und gerechtere Welt aufbauen können.
Gründung der Kinderpastoral durch Dr. Zilda Arns
In diesem Sinne wurde 1983 in Brasilien die Kinderpastoral von Dr. Zilda Arns Neumann gegründet, einer Kinderärztin und leiblichen Schwester des verstorbenen Kardinals Paulo Evaristo Arns. Sie hat dazu beigetragen, dass das Leben der Kinder ein zentrales Thema der Gesellschaft wurde und dass sich viele Menschen und die katholische Kirche dafür stark machen und mobilisieren.
Kinder sind, wenn gut für sie gesorgt wird, Samen des Friedens und der Hoffnung.
Dr. Zilda Arns Neumann
Die Kinderpastoral ist eine soziale Organisation der CNBB (Brasilianische Bischofskonferenz), deren Arbeit an der Basis geschieht, in den Gemeinden und Pfarreien. Die ehrenamtlichen LeiterInnen und MitarbeiterInnen sind die Missionare vor Ort, die Schwangere und Familien mit Kindern von ein bis sechs Jahren besuchen, die Eltern orientieren und begleiten. Sie unterstützen die Eltern in Bereichen wie Gesundheit, Erziehung und Ernährung der Kinder, mit dem Ziel einer ganzheitlichen Entwicklung, indem sie zusammen mit den Familien und Gemeinden ein Netzwerk bilden. Alle sind in der Kinderpastoral willkommen, ohne Unterschied von Rasse, Hautfarbe, Beruf, Nationalität, Geschlecht, religiösem oder politischem Bekenntnis“ (Art. 2 der Satzung).
Die MitarbeiterInnen der Kinderpastoral sind selbst Mütter und Väter oder kirchliche Gemeindemitglieder, die sich für das Leben der Kinder einsetzen. Sie begleiten die Entwicklung des Kindes in jeder Lebensphase. Sie geben Informationen weiter zur Vorbeugung und Behandlung von Gesundheitsrisiken, wie z.B. Durchfall oder Infektion der Atemwege. Sie führen auch Ernährungsberatung durch, geben Anleitungen zu Hygiene und achten darauf, dass der Impfpass der Kinder aktualisiert ist.
Ich möchte Ihnen sagen, dass Kinder, die gestillt wurden und viel Liebe bekommen haben, es leichter haben, für den Rest ihres Lebens mit Menschen auszukommen.
Dr. Zilda Arns Neumann
Die Kinderpastoral ist weltweit eine der größten Kinderhilfsorganisationen. Sie hat verschiedene Anerkennungen und Preise durch die UNICEF erhalten und ist ein großer Erfolg in allen brasilianischen Bundesstaaten. Heute ist die Kinderpastoral auch in zehn weiteren Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik verbreitet.
Die Kinderpastoral kam zurück in mein Leben
Im November 2020 wurde ich als Missionarin Christi angefragt, als Koordinatorin der Kinderpastoral im Bundestaat Goiás mitzuarbeiten. Ich war darüber sehr glücklich und habe „ja“ gesagt, weil ich darin meinem Auftrag als Missionarin Christi verwirklichen kann. Seit anfangs 2021 begleite ich die LeiterInnen der Kinderpastoral in elf Diözesen im Bundesstaat Goiás. Ich habe Kontakt mit den Bischöfen und unterstütze die DiözesankoordinatorenInnen im Bundesstaat Goiás.
Dabei bekomme ich Unterstützung vom nationalen Leitungsteam der Kinderpastoral, das Fortbildungen organisiert, uns mit Material versorgt und in die neueste Technik einführt.
In dieser Zeit der Covid-19-Pandemie halte ich viele Videokonferenzen, lerne darüber die Leiter kennen, biete Schulungen an und schaffe mehr Verbindung und Zugehörigkeit unter den Mitarbeitern der Kinderpastoral. Wegen der sozialen Kontakteinschränkungen ist es nicht einfach, zu den am stärksten gefährdeten Familien zu gehen. Unter den Opfern von Covid-19 sind auch Leiter der Kinderpastoral in den Gemeinden. Die Angst vor Ansteckung ist groß, ebenso die Trauer über verstorbene Angehörige.
In der Kinderpastoral organisieren wir auch einige Projekte zusammen mit anderen Institutionen, z.B. OVG (Organisation der Ehrenamtlichen Frauen von Goiás) oder Mesa Brasil (Netzwerk von Lebensmittelbanken). Wir fördern Gemeinschaftsinitiativen wie Gemeinschafts- und Heilpflanzengärten, die auf einem kleinen Grundstück angelegt sind, die einer kirchlichen Gemeinde gehören. Wo es ein Stück Land gibt, kann man Gemüse und Heilpflanzen anbauen und ernten. Diese Gemeinschaftsarbeit fördert Lernprozesse, stärkt das Bewusstsein, Selbstwertgefühl, Mitverantwortung und gegenseitige Achtung der Menschen. Dadurch wachsen Geschwisterlichkeit, Solidarität und Staatsbürgerbewusstsein unter Menschen, die durch die strukturelle Ungerechtigkeit und Ungleichheit in unserem Land ausgegrenzt werden. Eine Gemeinde, die etwas anbaut, pflanzt und sät, ist in Beziehung mit Mutter Erde, pflegt das „gemeinsame Haus“ und tut etwas für eine gesunde Ernährung. Diese Arbeit stiftet große Freude für Frauen und Mütter, die jetzt in dieser Pandemiezeit mehr zu Hause sind. Als Missionarin Christi bin ich sehr glücklich, durch meinen Dienst an den Schwächsten das Leben fördern zu können.
Bitten wir Gott, alle Kinder zu segnen, damit der großen Wunsch Jesu in Erfüllung gehen möge, dass alle Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10).
Über Dr. Zilda Arns Neumann
Sie war eine mutige und liebevolle Frau, die ihren Glauben durch Taten bezeugte. Mit ganzem Einsatz widmete sie sich dem Schutz und der Förderung von Kindern, Schwangeren und alten Menschen, für den Aufbau einer gerechteren und geschwisterlichen Gesellschaft. Dr. Arns Neumann gründete nicht nur die Kinderpastoral, sondern auch die Altenpastoral. Sie starb am 12. Januar 2010 in Porto Príncipe bei dem Erdbeben, das Haiti verwüstete, als sie die dortige Kinderpastoral besuchte.
Die Kinder haben absolute Prorität, wie es durch das Kinder- und Jugendstatut garantiert wird, und sie verdienen Zuneigung, Aufmerksamkeit und Achtung.
Dr. Zilda Arns Neumann
An jenem Tag hatte sie einen Vortrag darüber gehalten, wie man mit einfachen, erzieherischen und präventiven Maßnahmen Leben retten kann. Sie hat getan, was sie immer gesagt hat: „Immer mehr Menschen zusammenbringen, die sich auf der Suche nach ‚Leben in Fülle‘ für arme Kinder und Schwangere vereinen.“
Sie hat mit dem Beispiel ihres Lebens immer das Gute ausgestrahlt und ihr Leben für die Armen hingegeben. Sie starb für die Ärmsten des Landes in seinem dramatischsten Moment. Diese Frau, die sich oft um die Schwachen, Kinder und Alten gekümmert hat, hinterlässt ein Erbe der Beharrlichkeit und ein Beispiel der Liebe ohne Grenzen. 2015 wurde der Prozess ihrer Seligsprechung bei einer Eucharistiefeier in der Diözese Curitiba unter Anwesenheit von 40.000 Personen aus ganz Brasilien eingeleitet, die mit der Übergabe von 215.000 Unterschriften ihre Bitte an den Bischof bekräftigten.
Sr. Ana Soares Pinto ist Krankenschwester und sorgt sich ganzheitlich um das Wohl der Menschen. Sie ist vielen Menschen – jung bis alt – eine treue Begleiterin auf ihrem Weg und engagiert sich in der Verkündigung und im Zeugnis des Glaubens.